Steuerrelevante Verluste realisieren
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Die nachstehenden Informationen und Texte stellen keine Rechtsberatung dar. Es handelt sich um einen Artikel mit allgemeinen, stark vereinfachten Informationen. Ich habe mich um eine für Nichtsteuerfachleute verständliche Ausdrucksweise bemüht. Dies geht zwangsläufig zulasten einer präzisen, am Gesetzeswortlaut orientierten Rechtsdarstellung. Ich habe also bewusst die Rechtslage vereinfacht dargestellt, damit der Text verständlich bleibt und Sie den größten praktischen Nutzen daraus ziehen können.
Bitte beachten Sie, dass nicht alle Rechtsvorschriften, Ausnahme- und Vereinfachungsregelungen eines bestimmten Steuerthemas im Rahmen dieses Artikels erwähnt und thematisiert werden können. Es wird keine Gewähr für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Texte übernommen. Lassen Sie ihren individuellen Fall von einem Steuerberater prüfen.
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Beachten Sie bitte auch, dass die Rechtslage zur Versteuerung von Kryptowährungen aktuell zu großen Teilen unklar ist. Höchstrichterliche Urteile des Bundesfinanzhofs sind noch nicht ergangen. Es wird soweit möglich und ersichtlich die allgemein herrschende Rechtsauffassung vertreten. Stand 30.12.2022
1. Verlustverrechnungskreise im Allgemeinen
Es gibt verschiedene Einkunftsarten bzw. Einkunftskategorien im deutschen Steuerrecht. Für private Krypto-Anleger sind insbesondere relevant:
- Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (Trades innerhalb von 1 Jahr Haltedauer), § 23 EStG
- Einkünfte aus sonstigen Leistungen (z.B. Staking Rewards, Lending Einnahmen, je nach Rechtsauffassung auch Rewards aus dem Liquidity Mining), § 22 Nr. 3 EStG
- Einkünfte aus Kapitalvermögen (Futures, Derivate, Margin und sonstige Finanzprodukte); Für Termingeschäfte wie z.B. Futures gilt ein eigener und strenger Verlustverrechnungskreis
Verluste können i.d.R. nur innerhalb dieser Kategorien verrechnet werden und nicht mit anderen Einkünften. Für die genannten Einkunftskategorien gelten Verlustverrechnungsbeschränkungen, insbesondere je Kategorie ein beschränkter Verlustverrechnungskreis.
Beispiel: Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften dürfen nur mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden. Eine Verrechnung mit Einkünften aus sonstigen Leistungen ist jedoch nicht möglich.
2. Steuerrelevante Verluste produzieren – Prinzip
Insbesondere bei den privaten Veräußerungsgeschäften können steuerrelevante Verluste produziert werden. Das Prinzip erläutert das fiktive Beispiel:
Am 01.02.2022 kauft Max Mustermann auf einer Börse 1 Bitcoin für 35.000 €. Dieser soll langfristig gehalten werden. Weitere Bitcoins werden auf dieser Börse nicht gehalten. Am 30.12.2022 ist dieser Bitcoin nur noch 15.000 € wert. Da noch kein Verkauf stattgefunden hat, handelt es sich bis hierhin um keinen steuerrelevanten Verlust. Im Fachjargon wird von „stiller Last“ bei unrealisierten Verlusten gesprochen (bzw. „stille Reserven“ bei unrealiserten Gewinnen).
Möglichkeit 1: Max verkauft am 30.12.2022 den Bitcoin für 15.000 €. Der Verkauf erfolgt innerhalb der 1-jährigen Spekulationsfrist. Damit hat er einen Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften i.H.v. 20.000 € realisiert. Diesen Verlust kann er mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften 2022 verrechnen. Sollte insgesamt ein Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften in 2022 entstanden sein, kann dieser nach 2021 zurückgetragen werden und mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften 2021 verrechnet werden. Sollte diese nicht möglich sein, wird der nicht verrechnete Verlust in die Folgejahre vorgetragen bis er irgendwann verrechnet werden kann.
Möglichkeit 2:Max verkauft am 02.01.2023 den Bitcoin für 15.000 €. Der Verkauf erfolgt innerhalb der 1-jährigen Spekulationsfrist. Der Verlust ist in 2023 zu berücksichtigen. Ansonsten entspricht es der Möglichkeit 1.
Möglichkeit 3: Max verkauft am 02.02.2023 den Bitcoin für 15.000 €. Der Verkauf erfolgt nach Ablauf der 1-jährigen Spekulationsfrist. Der Verlust ist nicht steuerbar und kann steuerlich überhaupt nicht berücksichtigt werden.
Da Max den Bitcoin langfristig halten möchte, kann er in allen 3 Varianten nach dem Verkauf den Bitcoin erneut kaufen. Ab diesem Zeitpunkt beginnt für diesen Kauf die Haltefrist von 1 Jahr wieder von neuem an zu laufen.
3. Bedeutung für die Praxis
Aus steuerlicher Sicht ist es i.d.R. vorteilhaft Kryptowährungen, welche innerhalb der 1-jährigen Spekulationsfrist liegen und deutlich im Minus sind, zu verkaufen und danach evtl. zurück zu kaufen. Dadurch können Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften generiert werden, welche mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften sofort oder zukünftig verrechnet werden können.
4. Achtung! Ganz so einfach ist es dann doch nicht immer…
Der Teufel steckt im Detail. Im Beispielsfall ist die Sache sofort und klar ersichtlich. In der Praxis ist es oft komplizierter.
- Eine Kryptowährung wird in mehreren Tranchen gekauft (jede Kauf-Tranche ist einzeln zu betrachten).
- Zwischendurch gibt es Teil-Verkäufe oder Transfers zwischen verschiedenen Börsen und Wallets.
- Folglich weiß man nicht, ob bzw. mit welchem Teil der Coins man noch innerhalb der Spekulationsfrist liegt.
- Die Kryptowährung wurde auf verschiedenen Börsen/Wallets gekauft und/oder gehalten.
Manchmal ist es ohne eine vollständige Datenaufbereitung nicht möglich, die Anschaffungskosten und Haltefristen zu berechnen.
Es muss beachtet werden, dass generell eine Depottrennung vorzunehmen ist. Wenn man also 2 Börsen hat, dann werden die Coins auf der jeweiligen Börse getrennt betrachtet, solange keine Transfers zwischen diesen beiden Börsen stattfinden. Es macht also einen Unterschied, ob man Bitcoin auf der Börse 1 oder auf der Börse 2 veräußert. Die Anschaffungskosten und die Haltefrist(en) sind bei beiden Börsen nämlich anders!
Weitere Schwierigkeiten ergeben sich aus der Anwendung der FiFo-Methode (first in, first out deutsch: „zuerst angeschafft, zuerst veräußert“) im Detail. Um den Rahmen nicht zu sprengen wird auf nähere Ausführungen verzichtet. Bitte seien sie jedoch genau bei der Ermittlung der Anschaffungskosten und der Haltefrist und sensibilisert für die Fallstricke.
Eine mögliche Lösung für die komplizierten Fälle liegt in einer laufenden oder zumindest halbjährlichen Krypto-„Buchhaltung“ mit z.B. CoinTracking. Voraussetzung ist jedoch auch hierbei, dass die Daten richtig eingetragen sind, damit die Software die Haltefristen richtig berechnen kann. Eine manuelle Kontrolle/Plausibilisierung ist empfehlenswert.
Weiterhin kann es sinnvoll sein, für einen Coin mehrere Wallets anzulegen. Dadurch können die unterschiedlichen Käufe desselben Coins getrennt gehalten werden.
Eine Einschätzung von unserer Seite kann in komplizierten Fällen erst getroffen werden, wenn alle Krypto-Transaktionen vollständig im CoinTracking getrackt wurden. Wir bitten um Verständnis.